Die Fragen kamen von Britta Weddeling vom Focus-Magazin.
Die Antworten sind von Felix von Leitner von Fefes Blog.

> - Sie werfen der Piratenpartei Unfähigkeit vor. Warum?

Ich bin hauptsächlich unzufrieden damit, wie die Pressearbeit bei den
Piraten läuft bzw. eben gerade nicht läuft.

Wenn man mal auf die aktuelle Sonntagsfrage guckt, liegen die Piraten
bei allen Umfragen deutlich vor der FDP.  Wenn man aber den
Pressespiegel anschaut, dann laufen die Piraten dort im Vergleich zur
FDP unter fernerliefen.

Die Piratenpartei hat einen eher eingeschränkten Themenkreis, für den
sie sich "zuständig" fühlt.  Es ist vertretbar, wenn sich die
Piratenpartei nicht zu Finanzierungsfragen bei der Gesundheitsreform
äußert.  Die Piraten schaffen es aber auch bei ihren Kernthemen nicht,
sich in der Presse ordentlich zu positionieren.

Es gab im letzten Jahr mehrere Steilvorlagen, bei denen die Piraten bei
professioneller Pressearbeit das dominierende Medienthema hätten sein
können.  Erst war da der Staatstrojaner, dann war da der
Wulff-Rücktritt, und ich finde auch, dass die Piraten die
ACTA-Proteste viel umfangreicher hätten nutzen können.

> - Wie erklären Sie sich, dass die Piraten zweistellige Umfragewerte einfahren?

Da gibt es so viele Erklärungen für.

Zuerst einmal sind sie natürlich eine neue Protestpartei für Leute, die
bisher die Grünen oder die Linken gewählt haben, um SPD und CDU ihre
Unzufriedenheit auszudrücken.  Die Grünen und Linken eigneten sich nur
als Protestpartei, bis sie mal irgendwo in die Regierung kamen, und man
sehen konnte, was von ihren Wahlversprechen in der Praxis zu halten ist.

Zweitens fühlen sich die jüngeren Generationen von den alten Parteien
nicht vertreten.  Auf der einen Seite hört man immer, dass wir mehr
Nachwuchs brauchen, weil ja irgendjemand die Renten unserer Politiker
bezahlen muss.  Aber wenn man mal guckt, wie viele arbeitslose junge
Menschen es frisch von der Ausbildung oder Uni gibt, dann spricht das
eine ganz andere Sprache — wenn die überhaupt einen Ausbildungsplatz
gekriegt haben.  Und die Uni kostet ja jetzt Studiengebühren, von denen
offensichtlich kein Cent bei den Unis ankommt, um bessere Lehrmittel
davon zu kaufen oder sich ordentliche Professoren leisten zu können.
Wen sollen die Jungen denn da wählen?  Schauen Sie sich mal den
Altersdurchschnitt in den Alt-Parteien an!  Die einzigen mit einer nicht
geriatrischen Führungsriege sind die FDP, die ja den Turbokapitalismus
und die Arbeitslosigkeit zu verantworten haben und damit ausfallen.

Und dann natürlich die Internet-Affinität.  Die Piraten wirkten eine
Weile lang wie die einzigen, die das Internet für mehr als ein
PR-Instrument halten.  Bei den anderen Parteien ist das Internet ein
Vertriebskanal, ein Wirtschaftssegment, etwas das man für "Innere
Sicherheit"-Propaganda mißbrauchen kann und reglementieren muss, weil
sich dort die Raubkopierer, Kinderschänder und Terroristen tummeln.
Nicht so bei den Piraten.  Wer mit dem Internet aufgewachsen ist, der
fühlt sich nur bei den Piraten verstanden.

> - Bei welchen Themen hätte sich die Partei Ihrer Meinung nach stärker engagieren müssen?

Bei allen "ihren" Themen.  Alles, was mit dem Internet zu tun hat.
In erster Linie natürlich beim Staatstrojaner.  Das war eine
Steilvorlage, wie andere Parteien sie einmal in 10 Jahren kriegen.

Es geht mir gar nicht konkret um Engagement, denn das gibt es durchaus
bei den Piraten.  Das geht dann von der Basis aus und äußert sich so,
dass Demonstrationen angemeldet werden, dass Leute das Thema
diskutieren, dass man anderen Menschen das Problem zu erklären versucht.
Das findet statt, auch bei den Piraten.

Was aber nicht stattfindet ist PR.  Das ist ja schön und gut, wenn man
Proteste gegen ACTA organisiert, und da bin ich den Piraten vor Ort auch
dankbar für.  Aber mit dem dort lose gerüttelten Schüttgut lässt man es
doch dann nicht bewenden sondern man baut daraus etwas!

Ich war auch bei dem Wulff-Rücktritt sauer, dass die Piraten das nicht
kommen sahen.  Die anderen Parteien sind ja in der Situation auch träge
wie ein italienisches Kreuzfahrtschiff, da muss man als kleine flinke
Piratenpartei doch in der Lage sein, die Situation schnell zu erkennen
und die Chance zu nutzen.  Die Zeit der Verwirrung und Spannung, bevor
sich CDU und SPD auf Gauck festgelegt hatten, da saß doch jeder gespannt
auf seiner Bettkante und wartete, was da jetzt für Vorschläge kommen!
Und da hätte die Piratenpartei schnell einen Kandidaten vorschlagen
können. Nicht um den tatsächlich gewählt zu kriegen, das ist eh
ausgeschlossen. Aber um ein Statement zu setzen.

> - Warum haben es die Piraten Ihrer Auffassung nach nicht geschafft, diese Themen für sich zu besetzten? 

Ich kann da mangels Einblick auch nur spekulieren.  Meine Vermutung ist,
dass die ihre Rolle noch nicht verstanden haben.  Deren Weltbild, wie
sich eine Partei verhält, ist davon geprägt, wie sich CDU und SPD
verhalten, und was für Kritik die für Fehlverhalten einstecken müssen im
Fernsehen.  Und so gesehen machen die Piraten ja die CDU prima nach: sie
brauchen ewig für Entscheidungen, halten sich mit unwichtigem Kinderkram
auf, verlieren sich in unkonstruktiven Endlosdebatten, und am Ende
schaffen sie nichts.  Nur hat die CDU eben "Mutti" Merkel und ihren
autokratischen Führungszirkel und hat es daher geschafft, in ihrem
Kreuzfahrtschiff das kleine Piraten-Rennboot auszumanövrieren.

Die Piraten haben die Nominierung von Georg Schramm so betrachtet, als
sei die Präsidentschaftsnominierung ein faires Verfahren, in dem am Ende
der Beste gewinnt.  Das hat ja mit der Realität nichts zu tun.  Da geht
es um Parteienpoker und Fraktionszwang und am Ende gewinnt der Kandidat
der Regierungskoalition.

> - Kritiker monieren, Ihre harschen Worte an die Piraten hätten "BILD-Zeitungs-Niveau". Wie sehen Sie das? 

Jeder hat so seine Mechanismen, wie er seine eigenen Fehler
wegrationalisiert und Kritik kleinredet.  Den Boten erschießen hat noch
nie das Problem gelöst.

Ich war ehrlich gesagt entsetzt über das Niveau der Piraten in dieser
Diskussion.  Die Führungsriege war immerhin smart genug, da nicht offen
mitzumachen, aber was da aus der Basis für präpubertäres Gezeter kam,
das kennt man sonst nur aus Xbox-Onlinespielen mit Minderjährigen.

> -  Engagieren Sie (sowie auch der CCC) und die Piratenpartei sich nicht grundsätzlich für ähnliche Ziele? Wieso dieser Schlagabtausch? 

Natürlich habe ich grundsätzlich ein Interesse an den Zielen.  Wir
wollen alle nicht in einem Land leben, deren Regierung es für legitim
hält, ihren Bürgern Staatstrojaner auf den Rechnern zu installieren.
Und jeder, der sich mit ACTA mal beschäftigt hat, will es scheitern sehen.
Gar nicht mal nur wegen Computerkram.  Das ist ein Abkommen, das
AIDS-Kranken in Afrika ihre Medikamente wegnehmen will, wenn sie
"Raubkopien" sind.  Niemand kann das moralisch vertreten, für ein
Abkommen zu sein, das Menschen lieber sterben lassen will als ihnen
Zugang zu für sie bezahlbaren Medikamenten zu geben.

Der Schlagabtausch jetzt ist ein Freundschaftsdienst.  Wenn ich nicht
glauben würde, dass aus den Piraten noch etwas Gutes werden kann, hätte
ich auch kein Interesse daran, welche Chancen sie nutzen und welche sie
verstreichen lassen.

Natürlich ist auch ein Stück meines Ärgers der Tatsache geschuldet, dass
die Piraten diese Chancen nicht nur einfach so vertun, sondern sogar
mit Ansage.  Selbst wenn man den Piraten vorher sagt: Hört mal, Piraten,
das ist jetzt eine große Chance für euch!  Nutzt sie!
Selbst dann schaffen sie es nicht.

Das ist ein bisschen wie in einem Horrorfilm.  Die zierliche
Protagonistin hört nachts im Dunkeln ein Geräusch aus dem 1. Stock. Man
ruft ihr zu: Geh nicht gucken!  Und sie geht trotzdem gucken.  Wenig
später ist sie tot.  Da ist man ja nach dem Film auch sauer, dass die
nicht mal einen Film mit schlauen Protagonisten machen können.